Das Parken des eigenen Autos ist ein unterbewerteter gesellschaftlicher Akt. Es ist vergleichbar dem Setzen der Duftmarke bei Hunden. Der Vierbeiner pinkelt an die Ecke und markiert sein Revier. Ich parke mein Auto.

Selbst der Blödmann aus 5a hat schon begriffen, dass ich ihn um Mitternacht rausklingeln werde, wenn er sich noch mal traut meinen Parkplatz zu beparken. Und dass gerade seine Schwiegermutter aus Hannover zu Besuch ist, das interessiert mich einen feuchten Dreck.

Es gibt Momente, da wird das Parken zur Therapie – einzig zum Zwecke das seelische Gleichgewicht wieder zu erlangen.
Bei der Anfahrt zum gemeinsamen Einkauf am Samstagnachmittag ist es soweit. Auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums wartest du auf einen Typen, der in lethargischer Ruhe seine soeben gekauften Lebensmittel vom Einkaufswagen in den Kofferraum seines Wagens verstaut. Gleich wirst du parken und das eheliche Wochenend-Einkauf-Ritual über dich ergehen lassen. Dass du zuhause beim Bundesligafussball auf der Couch liegen könntest, daran darfst du erst gar nicht denken.

Seit Wochen scheint dein Leben aus dem Ruder zu laufen. Im Sportverein werden Intrigen gesponnen – und du hast keine Zeit dich mit Gegenmaßnahmen zu beschäftigen. Im Büro ist Land unter. Es herrscht Reizklima, weil für nächste Woche eine Prüfung angesagt ist. Morgen Nachmittag steht ein verwandtschaftlicher Pflichtbesuch auf dem Programm. Der Sommerurlaub wird aller Wahrscheinlichkeit nach einer Urlaubssperre zum Opfer fallen – und du hast noch keine Ahnung, wie du das deiner Familie vermittelst. Seit einer Woche hast du Ärger mit deinem Nachbarn, weil deine Toleranzgrenze gegenüber dem Hundekot, den sein kotender Köter vor deiner Haustür hinterlässt, nicht verhandelbar ist. Dein Girokonto befindet im im Soll, obwohl der Monat noch Tage hat. In deinem Tank herrscht eine akute Energiekrise, die deine Mobilität bedroht. Dein letzter Sex dürfte gut und gerne fünf Wochen her sein. Und nun ist da gleich diese Parklücke.
Mit all diesem Ballast im Gepäck, und nachdem du schon eine gefühlte Ewigkeit mit laufendem Motor auf diesen lendenlahmen Trottel wartest, hält keine zehn Meter von dir entfernt ein Auto und blinkt dreist deinen Parkplatz an.
Es ist kein "Ich-will-hier-parken-Blinken".
Es ist ein rotzfreches "Das-ist-mein-Parkplatz-du-Arsch-Blinken."
Du explodierst auf der Stelle. Dank ihrer seismographischen Sensibilität stimmt deine Frau ein vorahnungsschwangeres fruchtloses Besänftigungssäuseln an, das den Hintergrund eines aus dir herausbrechenden Wortstakkado bildet. Die Substantive deiner Sätze entstammen einer dir unbekannten Fäkalsprache.
Der Parkplatz-Rüpel fährt noch einen Meter vor und signalisiert dir so seine uneingeschränkte Kampfbereitschaft. Was nun folgt ist Urgewalt.
Der Zorn des Achill, der Jagdtrieb des Tasmanischen Teufels und der Charme einer Abrissbirne im freien Fall vereinen sich in dir. Das Ergebnis ist eine angstfreie Kampfmaschine, vor der selbst Rambo das Weite suchen würde. Mit einem 110-Dezibel-Dauerbrüller im Gesicht reißt du die Autotür auf und stampfst auf dein Opfer zu. Alle humanoide Wesen im Umkreis von gut zweihundert Metern schenken dir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Selbst der Hund, der neben dem Eingang zum Einkaufsmarkt angekettet ist, stellt sein Gekläffe ein. Kurz bevor du den Selbstüberschätzer erreichst, um ihn aus seiner Karre zu zerren, ihm den Kopf abzubeißen und ihn ungespitzt in den Boden zu rammen, legt dieser jämmerliche Hosenscheißer den Rückwärtsgang ein.
Er ist leichenblass. Zeigt mit beschwichtigenden Gesten an, dass er weiterleben möchte.
Panisch rückwärtsgängig bringt er seine bedingungslose Kapitulation zum Ausdruck und seine Karre samt insässigem Waschlappen in Sicherheit.
In Siegerpose nimmst du seinen letzten verängstigten Blick entgegen, mit dem er deiner Überlegenheit huldigt. Um ihn mit einem finalen, heißeren Bellen, das dem Schweigehündchen am Eingang noch ein letztes unterwürfiges Wimmern entlockt, um die Ecke zu husten.
Mann. Boooah. Du bist Supermann. Einer der keine Probleme hat. Zumindest keine, die sich nicht im Handumdrehen lösen lassen. Aber was hättest du mit all dem emotionalen Müll der letzten Wochen gemacht, wenn du kein Auto hättest und es keine Parkplätze gäbe?

Und falls es doch eine Frau gibt, die so parken kann, dann macht mir das Angst.

 

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