Kritische Betrachtung unserer Informationsgesellschaft. Ein Text mit Bildbeschreibung und autobiographischen Aspekten.
Nutella hat einen Lichtschutzfaktor von 9,7.


In Essen, das ich esse, sind manchmal total viele Zerealien drin.
Es gibt Banken & Versicherungen, die machen den Weg frei. Ich weiß nur nicht welchen Weg und für wen, aber das macht nix. Ich lebe in einer Informationsgesellschaft. In einer Gesellschaft, in der jeder jeden über jeden noch so belanglosen Scheiß informiert. Unaufgefordert.

Kürzlich habe ich ein Bild gesehen, das die Informations-Verschmutzung unserer Gesellschaft bestens plakatiert.
Es war das Bild eines Weihnachtmannes.
Von hinten.
Er war nach vorne gebückt. Unter seinem Mäntelchen kam eine Hose zum Vorschein, die dank seiner Körperhaltung ein Bauarbeiter-Dekoltee preisgab. Ihr versteht? Der Ansatz zweier Arschbacken, ein Grübchen. Und in der Mitte blitzte ein String-Tanga hervor. Unter dem Bild drei Worte: 'too much information'

Die nutzlosen Informationen, mit denen wir täglich gefüttert werden, beschäftigen und lähmen die Gehirne. Menschenverblödung durch Information. Wir sind auf Informationen nicht angewiesen. Ich kann das beweisen.
Wenn wir Informationen wirklich bräuchten, dann gäbe es die meisten von euch nicht. Dieser Raum hier wäre beinahe menschenleer. Denn eure Eltern und Großeltern waren über die Abläufe der menschlichen Fortpflanzung nur unzureichend oder gar nicht informiert. Ich weiß wovon ich rede. Denn ich habe meine Pubertät in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts hinter mich gebracht. Wenn Erwachsene damals von Aufklärung sprachen, dann sprachen sie über eine Geschichts-Epoche – über Rousseau, Lessing und Kant, und nie über Sex. Es war an uns selbst, herausfinden, wie die Sache mit der Paarung bei uns Menschen funktioniert. Und wir haben das rausgekriegt.

Eine der wenigen Informationen, die ein katholisches Elternhaus zum Thema Sexualität damals ausspie, war: "Junge, lass die Hände auf der Bettdecke und spiel nicht an dir rum, das ist Sünde, davon wird man blind."
Diese Information – Selbstbefriedigung ist Sünde und macht blind – musste überprüft werden.
Zunächst galt es den Begriff Sünde aufzulösen. Sünde, was ist das?
Soviel hatte ich begriffen: "Was Erwachsene als Sünde bezeichnen ist geil und macht Spaß." Daraus schloss ich: "Was auch immer Sünde ist, Sünde ist geil und macht Spaß." Und ich hoffte in meinem Leben noch ganz viel Sünde zu haben.
Die Erblindungsbehauptung war etwas kniffliger. Mögliche Informationsquellen waren rar. Praline, Schlüsselloch und Playboy waren ab achtzehn, aber immerhin gab es schon die Bravo und Dr. Sommer.
Trotzdem beschloss ich allein durch Beobachtungen und Nachdenken meine Informationslücke zu schließen.

Eines war sicher, man erblindete nicht sofort. Immerhin konnte ich noch sehen.
Nach der sechsten Schulstunde des folgenden Tages hatte ich Klarheit.
Meine Argumentations- und Beweiskette mag im Nachhinein mangelhaft erscheinen, aber das Ergebnis hält auch heute noch jeder Überprüfung stand. Denn der katholische Pfarrer, der Erdkundelehrer, der Mathelehrer und der Hausmeister hatten eine unübersehbare Gemeinsamkeit. Sie alle trugen eine Brille.
Ich dachte nur: "Alles Wichser."

Menschen sind durchaus in der Lage, sich wichtige Informationen selbst zu beschaffen. Man muss sie nicht täglich mit Informationen traktieren.
Jedenfalls hingen wir als Teenager nicht am Bahnhof rum, um uns mit mehreren Flaschen Wodka die überflüssigen Informationen aus dem Hirn zu schwemmen.
Nein. Wenn ich am Bahnhof war, dann stand ich voll Ehrfurcht vor dem Mann mit dem weißen Stock und der gelben Armbinde mit den drei schwarzen Punkten drauf und dachte: "Alter. Respekt."

 

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