Er hat eine besondere Wahrnehmung.
Für das große und das kleine Übel.
Wenn er wählen geht, dann wählt er mit Vorliebe das kleinere von beiden.
Das macht ihn zum Übelwähler.
Sein auserwähltes Übel hat für gewöhnlich eine fünf Prozent Garantie.
Weil der Übelwähler sein Gewähltes im Parlament sehen möchte.
Sich auf der Seite der Wahlverlierer wiederzufinden, das ist nicht seine Sache.
Visionen hat er keine.
Wenn man von ein paar belanglosen suggestiven Horrorvisiönchen absieht.
Die kommen daher, weil man ihm gelegentlich Angst machen muss.
Das motiviert ihn.
Er bekommt seine Ängste souffliert.
Von seinen gewählten oder wählbaren Beschützern.
Doch ein klein wenig Angst genügt.
Ein klein wenig Angst davor, dass die Renten nicht sicher sind.
Ein klein wenig Angst vor viel zu hoher Ausländerdichte.
Ein klein wenig Angst vor Wohlstandsverlust.
Ein klein wenig Angst vor Terror und Kinderpornografie.
Ein klein wenig Angst vor der Jugend.
Ein klein wenig Angst vor schlechten Aussichten.
Ein klein wenig Angst vor Gewalt auf der Straße. Auch wenn er selbst noch nie welche erlebt habt.
Angst vor Verdummung hat er keine.
Sein Vertrauen scheint endlos missbrauchbar.
Geringste Dosen gefälliger Worte lassen ihn immer wieder neues fassen.
Der Übelwähler sieht ein, dass gespart werden muss.
Aber bei seinem Nachbarn ein bisschen mehr, als bei ihm.
Er hat nichts zu verbergen.
Weil man ihm gesagt hat, dass er nichts zu verbergen hat.
Er ist nicht wirklich einfältig.
Er handelt nur so.
Wenn man dem Übelwähler einmal keine Angst mehr machen kann.
Keine Angst vor Veränderung.
Keine Angst vor der Zukunft.
Keine Angst vor Besitzstandsverlust.
Keine Angst vor dem, was er nicht ganz genau zu kennen glaubt.
Keine Angst vor denen, die ihm nicht nach seiner Fasson reden.
Keine Angst davor, als Protestwähler deklariert zu werden.
Dann wird es eng – für das kleinere Übel.
Und auch für das größere.
Dann wird sich unsere politische Landschaft verändern.
Das wird mächtig spannend.
Dann bekommen es die mit der Angst, die um ihre Macht fürchten.
Und denen bei Wahlen immer ein wenig mulmig wird.
Demokratie birgt nämlich die Gefahr von Machtverlust.
Als wäre das alles nicht schon schwierig genug.
Wo man in einer Demokratie doch für jeden Scheiß eine Mehrheit braucht.
Angstfrei ist der Übelwähler zu Außergewöhnlichem fähig.
Er kann als 82 Millionstel Souverän souverän wählen gehen.
Vielleicht.
Aber noch nicht dieses Mal.
Veränderungen sind ihm nicht geheuer.
Dieses Mal wird er noch einmal das kleinere Übel beehren.
Nur noch einmal.

 

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